Aktuell

21.09.2017

Die letzten Tage der Zweiten Republik. 2. Akt.

Die letzten Tage der Zweiten Republik.

 

Drama in 3 kurzen Akten mit unabsehbaren Folgen.

 

Personen:

Der Markengründermilliardär Harald Kitzgraber.

Der Bankgruppenpräsident Erwin Bauer.

Die Weihefestspielaufsichtsratsvorsitzende Linda Gruber.

Der politische Freund von Sebastian Kurz, Christopher Günter, 39.

 


2. Akt

                                    Die Durchführung.

Im Café Landtmann. In der Fensternische gleich links im großen Saal. Frühstück. Mitte Jänner 2017.

 

Der Bankgruppenpräsident:

„Nein. Nein. Das ist schon gut so. Daß er nicht gleich selber verhandeln will. Das finde ich gscheit. Sehr gschickt. Ja. Geschickt. Eigentlich.“

 

Der politische Freund von Sebastian Kurz:

„Na hören Sie. Es geht ja auch um einiges.“ (lächelt ironisch)

 

Der Bankgruppenpräsident:

„Nein. Nein. Ich habe gar nichts dagegen. Da können wir Klartext reden. So. Ordentlich.“

 

Der politische Freund von Sebastian Kurz:

„Würden Sie das mit ihm denn nicht? Würden S’ihn denn anlügen?“

 

Der Bankgruppenpräsident (schaut zum Fenster hinaus):

„Ach wissen Sie. In der zweiten Reihe. Da läßt es sich offener plaudern. Die in der ersten Reihe vorne. Die müssen die Form bewahren. Gar nicht gemütlich. Und ganz ehrlich. Die vorne. Die sollten das glauben können, was sie so sagen.“

 

Ein Kellner kommt an den Tisch. Er trägt zwei Tablettes. Schaut fragend.

 

Der Bankgruppenpräsident:

„Ja. Ja. Wiener Frühstück. Zwei mal. Und für mich gleich noch eine Melange.“

 

Der Kellner stellt die Teller auf den Tisch. Geht.

 

Der politische Freund von Sebastian Kurz (Er beginnt sein Frühstücksei mit dem Löffelchen aufzuschlagen.):

„Glauben Sie da wirklich daran. So eine Zweistufentheorie?“

 

Der Bankgruppenpräsident (Er hat sein Frühstücksei mit dem Messer geköpft.):

„Doch. Doch. So ein Gespräch wie unseres jetzt. Das hat doch eine Stimmung und die. Die können sie nicht weitererzählen. Nicht so einfach. Jedenfalls. Aber sie werden ihren Freund aus dieser Stimmung heraus beraten können. So eine Stimmung. Das ist ja auch eine Wahrheit.“

 

Der politische Freund von Sebastian Kurz (löffelt sein Ei.):

„Also Klartext. Was wollen Sie von ihm. Eigentlich.“

 

Der Bankgruppenpräsident (streicht sich die Buttersemmel):

„Das ist ganz einfach. Ordnung. Ich. Wir. Wir wollen wieder Ordnung. So eine Ordnung von oben nach unten. Verstehen Sie! Die wirtschaftliche Realität als politische Realität. Verstehen Sie?“

 

Der politische Freund von Sebastian Kurz (schaut in seinen Kaffee. Nachdenklich.):

„Aber eigentlich. Faktisch. Faktisch ist es doch so. Ich meine. Das ist doch die Realität. Oder?“

 

Der Bankgruppenpräsident (winkt dem Kellner):

„Nein. Nein. Eben nicht. Das ist nicht die Realität. Schauen Sie doch nur Wien an. Wer da aller redet. Alle diese Beratungen. Mietzinsobergrenzen. Wohnungsbau im Übermaß. Es muß endlich Schluß sein. Mit diesem Roten Wien. Das muß aufgelöst werden und in die Hand der Wirtschaft zurück. Es muß das Wohnen wieder auf den Markt kommen. Die Verkehrsbetriebe. Das Wasser. Kanal. Mist. Das muß alles privatisiert werden. Markt. Freier Markt. Es muß Besitz wieder etwas gelten. Es muß vererbt werden können. Es muß… (zum Kellner, der die Melange bringt). Ja. Stellen Sie das nur da her. (wieder an den politischen Freund von Sebastian Kurz gewandt) Und das ist der richtige Augenblick. Jetzt. Verstehen Sie. Auch international. Die Lösung Kurz wird international als Rettung vor den Rechten gefeiert werden. Wie die Merkel.“

 

Der politische Freund von Sebastian Kurz:

„Wie sollen wir das verstehen?“

 

Der Bankgruppenpräsident (schiebt die Frühstücksteller zur Seite. Beugt sich über den Tisch. Vertraulich.)

„Schaun Sie. Es muß jetzt sein. Oder nie. Das ist der historische Augenblick. Jetzt. Gerade. Nach der Finanzkrise in der IT Revolution. Verstehen Sie. Ihr Freund übernimmt die ÖVP als Retter und rettet gleich ganz Österreich. So müssen Sie das sehen. Die Leute sind wütend und verzagt. Die Verzagten sind in der Mehrheit. Die muß ihr Freund sich greifen. Dazu muß er denen nur versprechen, daß sie keine Sorgen mehr haben werden. Quasi das ewige Leben schon auf Erden. Nur noch Singen und Lobpreisen und keine Sorgen. Ein einziger großer Pensionistenklub. Schaun Sie. Demographisch sind wir sowieso schon ein Altersheim. Also die einen werden in Sicherheit gewogen und die, die sich nicht anschließen, denen wird der Brotkorb höher gehängt. Es soll sich wieder »aus-zahlen«, in Österreich zur Arbeiterklasse zu gehören. Schaun Sie. Es ist nicht so schwierig. Die Sozis sind verzagt. Die holen Sie sich. Im ORF muß nur noch das Management ausgewechselt werden, dann gehört der Euch. Die Sozialversicherungen legt ihr zusammen und kürzt gleich alle ein. Und Wien wird dereguliert. Großzügig. Vollkommen. Würde ich meinen.“

 

Der politische Freund von Sebastian Kurz:

„Und was sollte mein politischer Freund davon haben, daß er Ihnen das alles erledigt?“

 

Der Bankgruppenpräsident (Er schaut wieder verträumt auf den Ring hinaus):

„Na. Die Erfüllung seiner Ambitionen. Sie können mir doch nicht erzählen, daß der nicht hinauf will. Und daß der endlich nicht mehr Kompromisse machen will. Schauen Sie. Wir haben ein Schulsystem, in dem lernt man Schulaufsätze schreiben. Das ist die Nachfolge von den Predigttexten. Verkündigung. Wir hier. Wir lernen nur Verkündigung. Wir haben keine Debattierklubs in den Schulen. Wir lernen keine Argumente von anderen akzeptieren. Wir können die nicht einmal hören. Ja. Ja. Schauen Sie nicht so. Ich kann auch selbstkritisch sein. Aber wissen Sie. Das ist nun einmal ein Fakt. Und deshalb hat es gar keinen Sinn, sich eine Demokratie zu wünschen. Schauen Sie sich die SP an. Die haben nie eine Sprache gefunden, mit ihren Leuten zu kommunizieren. Da gehe ich doch lieber zum Eigenen zurück und regiere mit Schulaufsatzverkündigung. Und ich sage Ihnen. Das wird ein Riesenerfolg. Sie machen ein Wischiwaschi-Wahlprogramm und ihr Freund trägt das vor. Wie in der Schule. Beim Aufsatzvorlesen. Im Anzug. Und das wird alle mitreißen. Das kennen die. Das können die einschätzen. Das hat unser Bildungssystem produziert. Das ist österreichisch.“

 

Der politische Freund von Sebastian Kurz:

„Ich kann mir vorstellen, daß es da Proteste geben würde. Und die alte Partei…“

 

Der Bankgruppenpräsident:

„… schaun Sie. Schaun Sie. Sie sagen schon »die alte Partei«.“

 

Der politische Freund von Sebastian Kurz:

„Ja. Das ist mir wirklich so herausgerutscht. Aber trotzdem.“

 

Der Bankgruppenpräsident (lachend):

„Na sicher. Die Wahrheit muß heraus. Aber schaun Sie. Das hat doch der Schüssel schon gezeigt, wie man das macht. Das war ja nie eine demokratische Partei. Und die Protestler. Lassen Sie sie halt spazieren gehen. Die hören schon wieder auf. Aber im Ernst. Das Timing. Wenn ihr knapp vor dem Sommer den Führungsanspruch stellt. Und ich kann mir nicht vorstellen, wer da einsprechen sollte. Es gibt ja niemanden. Und wenn ihr über den Sommer euer Programm langsam veröffentlicht. Dann kriegt Ihr Euren Schwung zusammen. Das trägt Euch drüber. Alles neu. Ihr müßt alles neu machen. Wie gesagt. Ein schöner Schulaufsatz als Wahlprogramm und nachher die Durchsetzung.“

 

Der politische Freund von Sebastian Kurz:

„Wollen Sie da meinen Freund nicht einfach nur vor Ihren Anti-FP-Karren spannen?“

 

Der Bankgruppenpräsident (freundlich lächelnd):

„Sehr gut mitgedacht. Ja. Das ist auch ein Beweggrund. Das gebe ich gerne zu. Die FP wäre für die Wirtschaft nicht gleich förderlich. Aber genau deshalb müssen wir ja zusammenrücken.“

 

Der politische Freund von Sebastian Kurz:

„Aber das müßte alles voll unterstützt werden. Mit dem jetzigen Parteivorsitzenden….“

 

Der Bankgruppenpräsident (sehr ernst):

„Mit dem reden wir schon. Da schauen wir, was zu machen ist. Und dann. Seien Sie sicher, daß uns klar ist, was für ein Coup das werden soll. Das ist ein Staatsstreich. Quasi. Und bitte. Vertraut voll auf unsere Unterstützung.“

 

Der politische Freund von Sebastian Kurz:

„Wer ist »wir«?“

 

Der Bankgruppenpräsident:

„Vertrauen Sie mir. Hinter mir stehen die Eliten Österreichs.“

 

Der politische Freund von Sebastian Kurz:

„Das mit dem Protest. Das können Sie aber nicht so ohne Weiteres unterbinden.“

 

Der Bankgruppenpräsident (beruhigend):

„Ich verstehe, daß Sie sich Sorgen machen. Aber. Das ist doch ganz einfach. Er tritt als Popstar auf. So wie dieser. Na. Wie heißt der. Sie wissen schon. Der die Bundehymne nur mit den Söhnen singt. Das ist ein Selbstläufer. Die Leute wollen einen Führer, aber keine Erinnerung an damals. Also da kommen Sie ganz einfach an die Macht. Und dann streichen Sie alle Förderungen. Presseförderung? Streichen! Verlagsförderung? Streichen! Beratungsförderung? Streichen! Streichen! Streichen! Da ist dann gleich auch die Arbeiterkammer mit drin. Und diese Frauenförderung. Ich bitte Sie. Alles Unsinn. Und ich sage Ihnen. Nichts werden Sie hören. Sie hören übrigens jetzt schon nichts. Die kämpfen doch nur gegen diesen Bau am Heumarkt. Die trauen sich doch ohnehin schon nichts mehr. Oder haben Sie einen wirklichen Angriff auf die Politik erlebt. In der letzten Zeit. Die sind doch alle vom Staat bezahlt. Die sind mit ihrem Überleben beschäftigt. Das hat der Schüssel schon vorbildlich gemacht. Die geben dann keinen Pieps mehr von sich. Das ist halt dann der Vorteil eines so kleinen Markts. Da sind die alle vom Staat abhängig. Aber das ist es doch, was ich meine. Die wirtschaftliche Realität muß die politische Realität werden. Wer kein Geld hat, der kann auch nichts sagen. Basta. So einfach ist das. Und in Athen war es auch so und da hat das ja auch Demokratie geheißen.“

 

Der politische Freund von Sebastian Kurz:

„Das geht aber schon sehr weit. Das alles.“

 

Der Bankgruppenpräsident (scharf):

„Also. Wenn Ihr Freund keinen scharfen Wind verträgt, dann sollte er das natürlich besser nicht angehen. (versöhnlich) Wir unterstützen ihn alle. Wirklich. Und so ein Augenblick kommt nie wieder. Historisch. Meine ich. Trump. Nordkorea. Die Terroristen. Die Flüchtlinge. Die Asylanten. Die Roboter. Die Leute sehnen sich nach Ordnung und wir bringen sie ihnen.“

 

Der politische Freund von Sebastian Kurz:

„Wie immer schon. Die Revolution absolutistisch von oben?“

 

Der Bankgruppenpräsident:

„Na. Sie sind mir einer. Da sitzt er so schön ruhig da und dann. Er stellt sich als Intellektueller heraus. – Aber das gfallt mir. Ich mag keine ungebildeten Leute. Und ich muß jetzt ins Büro zurück. Sie rufen mich auf meiner Festnetznummer an. Ja? Und sagen mir, wie das alles weitergehen soll. Schauen Sie nicht so. Natürlich wird er es machen. So eine Chance! Und die Partei. Die können sich doch nur freuen. Ohne ihn. Die gingen doch nur vor die Hunde. Also. Ich höre von Euch. (Er steht.) Denkt daran. Das liegt alles so da. Man muß nur ernten und jetzt ist der richtige Augenblick. Ein für alle Mal Schluß mit diesen Linken.“

 

Der Bankgruppenpräsident geht davon. Der Kellner kommt und legt dem politischen Freund von Sebastian Kurz die Rechnung hin. Der ist verärgert. Der Kellner geht, die Rechnung holen.

 

Der Bankgruppenpräsident kommt noch einmal zurück.

 

Der Bankgruppenpräsident:

„Sagen Sie. Er geht nicht zufällig jagen? Weil dann könnte ich ihn gleich einladen.“

 

Der politische Freund verneint.

 

Der Bankgruppenpräsident:

„Das habe ich mir schon gedacht. Ich höre von Ihnen.“

 

Er geht davon und winkt. Der Kellner bringt die Rechnung.

 

Der politische Freund von Sebastian Kurz (zum Kellner):

„Bringen S’mir noch einen Espresso. Und rechnen S’ihn halt noch dazu. Danke.“

 

Vorhang.