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28.09.2017

Die letzten Tage der Zweiten Republik. 3. Akt.

Die letzten Tage der Zweiten Republik.

 

Drama in 3 kurzen Akten mit unabsehbaren Folgen.

 

Personen:

Der Markengründermilliardär Harald Kitzgraber.

Der Bankgruppenpräsident Erwin Bauer.

Die Weihefestspielaufsichtsratsvorsitzende Linda Gruber.

Der politische Freund von Sebastian Kurz, Christopher Günter, 39.

Die Werbeagenturmitarbeiterin Valentina Christian, 31.

Die Werbeagenturmitarbeiterin Roswitha Lorenz, 34.

 

 


 

3. Akt.

                                    Das Ergebnis.

 

Auf dem Rauchbalkon der Werbeagentur. Beide Frauen nippen am Kaffee in ihren Kaffeebechern von Starbucks.

 

Valentina:

„Hast du ihn schon einmal gesehen.“

 

Roswitha:

„Nein. Komisch. Gell? Für jemanden die Kampagne schreiben, ohne ihn zu kennen.“

 

Valentina:

„Aber irgendwie macht es das auch leichter. Finde ich. Stimmt es, was ich gehört habe?“

 

Roswitha:

„Hier läßt sich doch nichts geheimhalten. Aber sag es bitte wenigstens du nicht weiter. Und ja. Ich bin ziemlich sicher, daß ich weggehe.“

 

Valentina:

„Hat dir der Wegensteiner nichts angeboten? Ich meine. Du bist doch. Na schon! Irgendwie bist du unersetzlich.“

 

Roswitha:

„Mit dem habe ich noch nicht geredet. Und du? Wie wirst du es denn machen?“

 

Valentina:

„Ach. Ich kann bei meinen Eltern bleiben. Das schaffen wir schon.“

 

Roswitha:

„Wann kommt es denn.“

 

Valentina:

„Im Februar. Da ist noch lange Zeit.“

 

Roswitha:

„Ja. Also. Dann sag einmal. Wie siehst du dann das alles.“

 

Valentina:

„Also ich war bei so einem Treffen am Schwarzenbergplatz. Da ist das umrissen worden. Volle Konzentration auf ihn. Und der Slogan. Du weißt schon. Der Slogan sollte ihn halt beschreiben. Aber ich kann da auf nichts kommen.“

 

Roswitha:

„Na ja. Da ist ja nichts. Kann ja auch nichts. Hat der eigentlich etwas gelernt?“

 

Valentina:

„Abgebrochen. Studium abgebrochen. Also Matura. Sonst nichts. Aber es ist auch blöd, als Staatssekretär Prüfungen zu machen. Das kann ich mir schon vorstellen, wie das nicht geht.“

 

Roswitha:

„Sicher. Da hast du wahrscheinlich recht. Aber wenn du denkst, wieviel wir alle studieren. Na gut. Ich habe wiederum gehört, daß so etwas wie die Liste Kurz in Frankreich gar nicht zur Wahl zugelassen wären. Weil es keinen demokratischen Prozess in der Partei gegeben hat.“

 

Valentina:

„Logisch wäre das schon. Ich meine. In einer Demokratie, da sollten nur demokratische Parteien antreten.“

 

Roswitha:

„Mich hat ja gewundert, daß alle diese Partei-Oldies sich nicht gewehrt haben. Da haben sich doch alle gleich auf den Bauch gelegt. Als wären sie nie dagewesen, war das. Ganz so ohne Spur.“

 

Valentina:

„Die hoffen halt alle auf den Abfall vom Erfolg. Der junge Held. Das kennt man doch. Eigentlich ist der ja so eine Art Opfer. Stell dir vor. Das funktioniert nicht. Was macht der dann. Geht der dann auf die Uni? Und. Wie die an die Macht kommen, das ist denen gleich. Denk ich. Und irgendwie. Das Ergebnis gibt ihm ja recht. Bis jetzt.“

 

Roswitha:

„Aber was sagen wir. Wir sollten ein paar Vorschläge haben. Sonst dauert es wieder so lange. Die Sitzung, meine ich. Wir sollten uns ein Beispiel an ihm nehmen. Einfach zuschlagen. Stell dir vor. Wir fordern, daß man unsere Kampagne so nimmt, wie wir sie uns vorstellen. Da möchte ich den Wegensteiner sehen.“

 

Valentina:

„Aber vielleicht nur einen Vorschlag und von dem nicht runtergehen. Ich kann das nicht mehr aushalten, wenn die da so herumsitzen und überlegen. Der Wegensteiner. Wenn der seine Meinung dann dauert ändert. Merken die Kunden denn das wirklich nicht. Aber nein. Denen gefällt das, wenn der Agenturchef sich so prostituiert.“

 

Roswitha:

„Also was sagen wir. »Er ist die einzige Wahl.« Das stimmt ja auch total.“

 

Valentina:

„Kommt drauf an wovon. Ich denke, wenn die einen vorzeigbaren Habsburg gefunden hätten, dann hätten die den genommen.“

 

Roswitha:

„Meine Eltern erinnert das alles an diesen Haider. Nur ohne Nazifamilie. Der hat sich auch so hineinreklamiert. Gegen die liberalen Oldies.“

 

Valentina:

„Liberal ist da nichts. Gut. So genau weiß man das ja alles nicht. Aber er wird bei den ÖVP Vorstellungen bleiben müssen. Was soll er denn sagen? Wir befreien euch von der Arbeiterklasse? Nie wieder die Roten. Die sind ja nicht so aggressiv wie die F-ler.“

 

Roswitha:

„Da hast du recht. Die F-ler. Die wollen selber. Die wollen Hand anlegen und schießen. Das üben die ja auch so richtig. Oder wozu gibt es diese Wehrsportgruppen dann. Die ÖVPler. Die lassen es lieber passieren. Wie die Flüchtlinge im Mittelmeer ertrinken lassen und die Helfer kritisieren. Die wollen lieber nichts davon wissen. Aber am Ende. Es ist ein bißchen ähnlich.“

 

Valentina:

„Das glaube ich auch. Die wollen beide nicht von anderen regiert werden. Die wollen nur ihresgleichen. Schönes Wort. Stell dir vor. So ein Plakat, auf dem steht nur »Unseresgleichen«. »Euresgleichen nicht.« Und sonst nichts.“

 

Roswitha.

„Das wäre so richtig »Wiener Gruppe.« “

 

Valentina:

„Und was wäre die Wahrheit? Was sagt man da auf einem Wahlplakat. Hmm?“

 

Roswitha:

„»Wir verachten euch sowieso.«“

 

Valentina:

„Oder. »Es wird Zeit für die Wahrheit. Wir wollen euch alle nicht. Wir wollen unter uns bleiben.«“

 

Roswitha:

„Es ist schon ein bißchen 19. Jahrhundert. Oder. Als wäre Österreich nicht ein funktionierender Staat. Als müßte ein neuer Anfang gemacht werden. Für mich schaut das komisch aus. Aber in Deutschland ist es ja auch nicht so viel besser.“

 

Valentina:

„Ja. Das ist so eine Selbstverleugnung. Mit Österreich. Wenn ich in Chicago ans Gate komme und da sind schon diese Österreicher. Dann möchte ich gleich wieder umdrehen. Und dann stelle ich fest, daß es den meisten auch so geht. Komisch. Oder?“

 

Roswitha:

„Du hast recht. Wir sind nicht freundlich zueinander. Aber warum.“

 

Valentina:
„Ich weiß nicht. Ich fühle mich dann. Also. Aber es ist ganz einfach so, daß ich dann nicht zu dieser Gruppe gehören will. Irgendwie wird da der Kaiser verständlich. Da konnte man sich zu dem rechnen und nicht zur Plebs. Ich glaube, es ist die reine Arroganz. Ich geniere mich ja auch dafür.“

 

Roswitha:

„Du Individualistin. Du. Aber ich glaube so geht es fast allen Nationen. Das ist doch eigentlich normal. Du willst nicht eingestuft werden. Ich möchte auch immer bestimmen, was jemand von mir wissen soll.“

 

Valentina:

„Was war eigentlich so schlimm an diesem Haider.“

 

Roswitha:

„Am schlimmsten finde ich, daß er Österreich als Mißgeburt bezeichnet hat und daß er so stolz darauf war, daß er sich für den Holocaust nie entschuldigt hat.“

 

Valentina:

„Wie soll denn das gehen. Leugnet er den Holocaust oder findet er ihn richtig.“

 

Roswitha:

„Beides. Glaube ich. Aber er hatte so eine monarchische Seite. Er hat allen Leuten 100 Euro geschenkt. In Kärnten. Und das hat gewirkt. Geschenke machen.“

 

Valentina:

„Hier kehrt alles immer zur Monarchie zurück. Heißt das, daß wir eine Prinzenkampagne machen müssen.“

 

Roswitha:

„Ein Pop-Prinz. Und ich glaube, man darf ihn gar nicht so viel sehen. Die Fotos sollten immer andere zeigen und er im Hintergrund. Bescheidenheit ist eine Zier, wenn man selber nichts darstellt.“

 

Valentina:

„Aber fesch ist er schon.“

 

Roswitha:

„Ja. Gerade richtig. Es muß ein bißchen so edel sein. Kühl. So überdeckt. Als wäre ganz viel Temperament dahinter. Kraft. So, er kann quasi den anderen die Bühne lassen. Er braucht die erste Reihe gar nicht. Und erst in der zweiten Welle dann richtig das Bild von ihm.“

 

Valentina:

„Werther-Bilder. Der melancholische Held, der sich opfert. Ein so junger Mann opfert sich für seine Sache und den Staat.“

 

Roswitha:

„Aber. Was ist seine Sache?“

 

Valentina:

„Keine Ahnung. Das will er ja erst bekanntgeben.“

 

Roswitha:

„Ja. Aber die anderen. Die Mitbewerber. Das sind alles Politprofis. Die haben alle Erfahrung und sind in ihren Programmen firm.“

 

Valentina:

„Dann müssen wir eben etwas anderes finden. Generation. Stimmung. Reform. Zeit. Irgend so etwas Abstraktes halt.“

 

Roswitha:

„Wie wird denn das weitergehen mit dir?“

 

Valentina:

„Ach. Das muß ja.“

 

Roswitha:

„Habe ich da richtig gehört. Du hast die Sache beendet?“

 

Valentina:

„Wenn du draufkommen würdest, daß dein ganz persönlicher und über alles geliebter Meinungsforscher gerade dabei ist, sich mit einer anderen zu verloben und du überhaupt nichts weißt von dem allem? Was würdest du tun?“

 

Roswitha:

„Dann habe ich doch alles richtig gehört. Scheiße. Wirklich.“

 

Valentina:

„Ach. Weißt du. Hier. Ich kann das Kind sehr gut allein bekommen. In Wien. Da gibt es alle Unterstützung. Deshalb möchte ich ja, daß sich nichts groß ändert. Hier kann man das alles noch machen. In London könnte ich mir das Kind nicht leisten.“

 

Roswitha:

„Ja. Es geht um die Rahmenbedingungen. Wissen das auch alle?“

 

Valentina:

„Ich habe keine Ahnung. (lacht) Ich habe ja mein persönliches Meinungsforschungsinstitut verloren.“

 

Roswitha:

„Das ist wirklich totale Scheiße. Aber sag einmal. In diesem Zusammenhang. Haben wir schon gesagt. »Er ist der Einzige.« Das ist dann wie aus einer Operette. Und das paßt doch. Keine Wahl lassen. Nicht einmal überlegen. Nur trällern.“

 

Valentina:

„Es wird Zeit.“

 

Roswitha:

„Wow! Ja. Einen Satz aus der läppischen Reihe. »Mir geht es gut.« Ja, finde ich auch. Es wird Zeit für das Mittagessen.“

 

Valentina:

„Und weißt du was. Wir sagen zuerst »Es ist Zeit.« und dann können die das noch ändern auf »Es wird Zeit.« Da hat »die Kunde« sogar noch Mitbestimmung gelernt.“

 

Roswitha:

„Das wird mein letzter Coup hier. Und. Du weißt, daß wir uns einmal genieren werden dafür.“

 

Valentina:

„Wir sind doch nur die kleinen Rädchen.“

 

Beide lachen.

 

Valentina:

„Ach. Weißt du. Da hat doch dieser Mensch von der AfD in Deutschland gesagt, daß sie ein »gäriger Haufen« sind. Ich habe nachgeschaut, was »gärig« heißt.“

 

Roswitha:

„Und?“

 

Valentina:

„Das heißt, durch Gärung verdorben. Verstehst du. Was immer wir machen. Es wird eine Wahrheit daraus. Verstehst du. Der hat das so vor sich hingesagt und das genaue Gegenteil gemeint. Aufgerührt. Im Gärungsprozess. So. Verstehst du. Deshalb mache ich mir keine Sorgen. Lügen gibt es nicht mehr. Man muß es nur deuten können.“

 

Roswitha:

„Jaaa. Da magst du schon recht haben. Ich habe trotzdem kein gutes Gefühl. Auf der anderen Seite. Ich muß mein Geld verdienen. Ich kann keine Revolution machen. Jetzt gerade nicht.“

 

Valentina (ironisch):

„Und ich. Ich kann die Frauen gerade auch nicht befreien. Ich muß das kleine Mäulchen stopfen. – Blöd. Das alles. Was?“

 

Roswitha:

„Das kannst du so sagen.“

 

Vorhang.