Aktuell

17.11.2016

Wahlkampfroman 2016. „So wird das Leben.“ 16. Folge.

Wahlkampfroman 2016.

So wird das Leben.

Sechzehnte Folge.1

Die Vroni mußte aber dann doch aus dem Bett und an die Tür. Es wurde geläutet und geläutet und die Polster über den Ohren reichten nicht mehr aus, das Geräusch zu ersticken.

Durch den Spion sah die Vroni nur einen Mann vor der Tür auf und abgehen, und sie wollte schon durch die Tür schreien, daß sie die Polizei holen wolle. Da wandte sich dieser Mann aber der Tür zu. Die Vroni sah, daß es der Onkel Franz war und riß die Tür auf. Während sie all die Schlösser aufsperrte, rief sie „Bitte. Nur einen Augenblick. Gleich. Gleich.“ und der Onkel Franz lachte und sagte, „Mach nur ruhig.“ Die Vroni freute sich so über die Rückkehr des Onkels, daß sie fast weinen mußte. Sie begann dem Onkel alles zu erzählen, da war der noch kaum durch die Tür gekommen.

Der Onkel Franz hörte sich Vronis Erzählung ruhig an. Die Vroni zögerte, die Beschimpfungen von diesem Dr. Chrobath zu wiederholen, aber der Onkel sagte, „Sag nur. Ich weiß, daß der mich einen Schwuli nennt. Und sonst noch alles mögliche.“ In der Hast des Berichtens vergaß die Vroni, daß sie niemandem bisher alles so genau erzählt hatte. So kam es, daß der Onkel den ganzen Hergang des Überfalls zu hören bekam. Auch die Sache wie der Dr. Chrobath ihr trotz seiner eigenen Schmerzen so grinsend gesagt hatte, daß es ihr niemand glauben werde, daß er diesen Überfall bestellt gehabt hatte.

Der Onkel Franz hörte sich die Geschichte an. Er unterbrach die Vroni nicht, und nachdem sie fertig war, begann er im Zimmer rund um den Tisch zu gehen. Er ging den Rand des großen Teppichs entlang und starrte vor sich hin.

„Du schaust toll erholt aus.“ sagte die Vroni dann, und der Onkel nickte zerstreut. Der Onkel Franz sah aber wirklich gesund aus. Er war braungebrannt und ging frisch und elastisch. Er schien viel jünger zu sein als vor der Sache mit dem Herz. Die Vroni überlegte, wie alt der Onkel Franz war. Der Großonkel Franz und die Großtante Roswitha feierten keine Geburtstage. Deshalb wuße niemand so ganz genau, wie alt sie wirklich waren.

„Mir geht es sehr gut.“ sagte der Onkel. „Aber was machen wir mit dieser Sache?“ Er blieb stehen und schaute beim Fenster hinaus. „Diese Fehde geht schon seit Jahren. Du weißt, daß der selber schwul ist. Aber das sagt der nicht. Ich möchte nicht wissen. Na ja. Ich glaube nicht, daß er.“ Er sprach nicht weiter. Dann schüttelte er den Kopf. „Komm.“ sagte er. „Zieh dich an. Ich schau einmal, ob ich die Fischer erwische.“ Er ging davon, und die Vroni lief ins Badezimmer.

Vor dem Spiegel fiel ihr dann die Geschichte von der Mami wieder ein. Sie schaute sich lange an. „Böse Zeiten.“ sagte sie dann zu sich selber. „Sehr böse Zeiten.“ Sie war traurig. Es war so klar, wieviel Leid nun losgetreten werden würde. Millionen von Menschen aus den USA ausweisen. Eine ganze riesige Gruppe von Personen demütigen. Sie in die Verachtung knebeln. Sie mit dieser Verachtung beschäftigen und nichts anderes zulassen. Wie das schon mit den afroamerikanischen Personen gemacht worden war. Mit den Indigenen. Die Familien zerreißen. Lebenswege unterbrechen. Lenken. Hinter Mauern verschaffen. Und Mexico. Eine verbrecherische Polizei. Mit der würde Trump sich aber verbünden. Die mußten die Ausgewiesenen in Mexiko zurückhalten. Da würde es Abkommen geben. Da wurde doch bezahlt. Die mexikanische Polizei würde von der Trump-Administration dafür bezahlt werden, daß sie der Trump-Administration Ärger mit den Ausgeschafften und den Flüchtenden ersparten. Ein Krieg war das. Ein Krieg von oben nach unten. Kapitalismus halt. Was waren diese Personen überhaupt für die mexikanische Polizei? Schutz gab es für diese Flüchtenden dann von keiner Seite. Die wurden zu Gejagten. Schießbefehle gab es schon. Am Ende endete das wie in der DDR und war nicht aufrechtzuhalten. Aber bis dahin. So viele Schicksale. Aber die Vroni mußte weitermachen. Der Onkel rief von draußen, daß die Dr. Fischer nicht zu Hause sei, aber das würde nichts machen. „Wir machen das jetzt!“

Die Vroni lief ins Schlafzimmer und zog sich an. Der Onkel drehte den Fernsehapparat auf. Die Vroni konnte nur das flache Gemurmel von Nachrichtensprechern hören. Dann wurde abgedreht. Dann hörte sie die Nachrichten wieder. Sie rief aus dem Schlafzimmer, „Gibt es wieder so schreckliches Zeugs?“

Der Onkel antwortete nicht. Die Vroni mußte ihre Handtasche aus dem Wohnzimmer holen. Sie wollte ein Parkemed nehmen, und die Tabletten waren in ihrer Handtasche. In ihrer Hand hatte plötzlich wieder der Schmerz begonnen. Es war ein wolkiger Schmerz und wie weit entfernt. Aber die Vroni wollte nichts mehr mit diesem Schmerz zu tun haben. Alle, auch der Markus sagten immer wieder, daß sie sich damit auseinandersetzen sollte. Aber die wußten nichts. Wenn sie den Schmerz mit Hilfe der Tabletten verbannte, dann war sie auch von den Erinnerungen nicht so angegriffen.

Der Onkel hatte sich hingesetzt. „Da. Schau!“ sagte er und wies auf den Bildschirm. Da war Präsident Obama auf einem von diesen blaubezogenen Sesselchen im Weißen Haus zu sehen und Donald Trump saß links von ihm und schaute böse vor sich hin.

„Das ist das Schlimmste.“ sagte der Onkel. „So war das mit dem Hitler auch. Ein Verbrecher wird durch das Amt zum Amtsträger und alle glauben, das verändert den. Na. Damals hat man das auch nicht sehen wollen. Ein Strizzi bleibt ein Strizzi. Komm. Dann nehmen wir uns den Strizzi hier im Haus einmal vor.“

Die Vroni war dann endlich fertig und angezogen.

„So.“ Der Onkel sprang auf. Die Vroni war unsicher. Die Vorstellung an die Tür vom Dr. Chrobath zu gehen und da anzuläuten, ließ sie erstarren. „Komm. Komm.“ sagte der Onkel. „Komm. Wir outen uns jetzt.“ Die Vroni schaute ihn fragend an. „Als nicht erpressbar, outen wir uns.“ sagte der Onkel. „Der soll doch nicht glauben, er kann seine sadistischen Spielchen mit uns treiben. Das muß man konfrontieren. Oder?“ Der Onkel hielt an der Wohnungstür inne. „Hast du Angst.“ Die Vroni nickte. „Aber du willst doch zur Polizei gehen und eine Anzeige machen. Das mußt du. Wenn du sogar den Namen von dem Mann weißt, der dir die Hand zerschlagen hat. Dann kannst du nicht anders.“ Die Vroni zögerte. Da nahm der Onkel sie an der gesunden Hand und führte sie ins Stiegenhaus hinaus und die Stiege hinunter. „Das ist eine Frage der Selbstachtung.“ sagte er. „Weißt du. Ich habe in meinem Leben auf die schwierige Art lernen müssen, daß es darum geht. Um die Selbstachtung. Das können wir nicht so drangeben. Verstehst du. Das macht dich kaputt.“ Er schaute sie von der Seite an. „Wenn du jetzt denkst, du zerstörst ein anderes Leben, wenn du die Maschinerie von Polizei und Gericht lostrittst, dann täuscht du dich. Dein Leben ist zerstört worden. Es geht um dich und nicht um diese Leut da. Und noch haben wir diese Möglichkeit einer freien Gerichtsbarkeit. Wer weiß…“

Sie waren vor der Tür von Chrobath angekommen. Der Onkel läutete. Es gab keine Reaktion. Der Onkel läutete wieder. Dann noch einmal. Dann hörte man Schritte drinnen und jemand schaute durch den Spion. „Chrobath. Machen Sie auf. Ich will mit Ihnen reden.“ rief der Onkel Franz. Dann schlug er mit der flachen Hand gegen die Tür. „Aufmachen. Sag ich.“ Aber es gab keine Reaktion. Es war still hinter der Tür. Die Vroni konnte gar nicht mehr sagen, ob sie wirklich eine Person hinter der Tür wahrgenommen hatte.

„Dann ist es gut. Chrobath.“ Der Onkel sprach laut durch die Tür. „Ich rufe die Polizei.“ Er wartete. „Ich mache mir große Sorgen und rufe die Polizei.“ Der Onkel holte sein Handy aus seiner Rocktasche und wählte den Notruf. Da war dann doch zu hören, wie ein Schlüssel im Schloß gedreht wurde und die Tür ging auf.

1. Diese Folge ist dem Fußballer Andy Woodward stellvertretend für alle Mißbrauchsopfer gewidmet.